"Wir sind hier multi-kulti"*

 
 

Riwwelmaddes

von Reiner Trabold
 
Surekha Misra, die deutsch-indische Wirtin
im Darmstädter Johannesviertel
 
     
 

"Dado ist schuld daran, dass ich noch hier bin", gesteht die Wirtin im Darmstädter "Riwwelmaddes" ein. 1995 hatte Surekha Misra (44) ihren Sohn Karan auf die Welt gebracht. Mit einem Kind hätte sie die Arbeit im Lokal nicht mehr geschafft. Der Kroate Dado Kolvac(53), ein Freund, übernahm von diesem Zeitpunkt an die Regie in der Wirtschaft, in der Surekha sieben Jahre zuvor begonnen hatte. Dado ist seither hinterm Tresen, in der Küche, kümmert sich ums Personal, um die Gäste. Inzwischen kocht auch sein Sohn Sascha mit. Laima aus Litauen hilft ebenso wie ein Vietnamese. "Wir sind hier multi-kulti, die Gäste sind es auch", sagt Surekha, die Deutsch-Inderin die mit dem Engländer Geoffry Little verheiratet ist.

 
 

Den EDV-Fachmann aus England hatte sie in ihren Zeiten im Darmstädter "Rumpelstilzchen" kennen gelernt, wo sie arbeitete und Gefallen an der Gastronomie fand. Little gab dem "Riwwelmaddes" etwas vom Flair englischer Pubs, sorgt dafür, das es in der Wirtschaft ein Dartspiel, das dunkle irische Guinness und mehrmals im Jahr "Fish and Chips" gibt, die schmecken wie von der Insel. Surekha brachte asiatische Exotik ins Haus, einem Schmelztiegel der Nationen.

 
 

1983 hatte Wolfgang Koehler von der Darmstädter Brauerei die Wirtsstube im früheren Gasthaus "Zum Mohr" gegenüber der Johanneskirche einer Berliner Kneipe nachgebaut. "Ich wollte es damals ganz besonders gut machen", erinnert sich Koehler heute. Es habe ein Donnerwetter des Vaters gegeben, als er die Rechnung für den Ausbau präsentierte. Die Idee des "Riwwelmaddes" (Koehler: "Es war mein Baby") sei ihm im Herrngarten vor der Statue der Traditionsfigur gekommen. Dunkle, schwere Holzvertäfelung, Spiegel, weiträumiger, "kommunikative" Theke, Stehtische, Sitzeinheiten . Ein Wirt aus Weiterstadt blieb ein Jahr. "Dann kam noch einer, und noch einer und noch einer", erinnert sich Surekha. "Ich war sicher, ich mach's auch nicht länger" Ein Irrtum, wie sich herausstellte. "Fest steht, keiner von uns wollte in die Gastronomie", sagt die Wirtin. "Wir sind reingerutscht, aber jetzt sind wir mit Leidenschaft dabei", sagt Surekha.

 
 

Dado war Ende der sechziger Jahre zu Besuch nach Deutschland gekommen - und geblieben. Er studierte zunächst Chemie, kam dann in die Gastronomie, arbeitete in Offenbach zwölf Jahre im Steakhouse. Ein Wirt müsse alles schon mal gemacht haben. "Sonst haste verloren", weiß der Mann mit dem Bart, der sich so leidenschaftlich mit Surekha streiten kann. "Schreiben Sie ruhig, dass bei uns manchmal die Fetzen fliegen. Aber wir bügeln das immer wieder glatt", verrät sie.

 
   
 

Ede ist einer der Gäste, die öfters am Tresen Platz nehmen. Der Heizungsmonteur trinkt sein Feierabendbier im "Riwwelmaddes". Surekha macht bereitwillig Platz auf der "Seniorenbank". Die sei vor 14 Jahren eingerichtet worden, weil die jungen Leute den älteren den bequemsten Platz an der Theke weggenommen hätten.

 
 

Die Geschichte von Surekha bietet Stoff für einen Roman. Ihre Mutter hatte es als junge Frau von Darmstadt nach London gezogen, wo sie einen Inder kennenlernte, und 1958 kam in Chelsea ein Mädchen zur Welt, dem die Eltern den Namen Surekha gaben. Die junge Familie ging nach Indien. wo Surekha zusammen mit ihrem kleinen Bruder ohne Strom und fließend Wasser lebte.

 
 

Sie studierte in Bombay, machte dort ihren Abschluss in Geschichte und hatte sich in den Kopf gesetzt, in die Welt zu ziehen. Die deutsche Sprache erlernte sie mühsam in Abendkursen am Goetheinstitut. Ihre erste große Reise zur Tante nach Darmstadt sollte sechs Wochen dauern. "Daraus wurden 24 Jahre"; sagt die Wirtin des "Riwwelmaddes", die bei Merck anfing, als junge Frau ohne Anhang und Anschluss in die In-Kneipe "Hotzenplotz" ging, auszuhelfen begann. Ihr Einstieg ins Gastgewerbe.

 
 

Nein, Fernweh habe sie nicht. "Weil ja alle hierher kommen", sagt die Frau, deren Sohn Karan in Indien im Alter von 14 Monaten nach Ritualen der Hindus getauft wurde. Viele Leute zögen weg, kämen zurück. "Das ist das schöne an diesem Beruf. Man braucht keine Termine zu machen, denn die Gäste kommen. Nicht jeden Tag, aber immer mal wieder."

 
      
 

Hausmacher Rezept
Dal -indische Suppe aus roten Linsen

 
  500 Gramm rote Linsen in eine Schüssel geben und so lange waschen, bis das Wasser ziemlich klar ist. Dann in einem Topf mit 1,5 Liter Wasser aufsetzen. Einen gestrichenen Teelöffel Kurkuma (Pulver aus Gelbwurzel) zugeben. Zum Kochen bringen und dann solange köcheln bis die Linsen wirklich weich sind - eine Linse soll zwischen zwei Fingern verrieben werden können.  
  Drei Esslöffel neutrales Pflanzenöl in einer kleinen Pfanne erhitzen. Dann einen Esslöffel Kuminsamen (Kreuzkümmel) rein. Sie müssen sofort brutzeln. Die Pfanne von der Flamme nehmen, zwei bis vier kleingeschnittene grüne Peperoni (Chilies) dazugeben, alles eine Minute schwenken und dann die Linsen dazu. Aufkochen und salzen.  
 

aus: 

Schöne Wirtschaft
Gastwirtschaften im Landkreis Darmstadt-Dieburg und ein bisschen darüber hinaus.
Herausgegeben von  Reiner Trabold
Fotos von Karl-Heinz Bärti
Gestaltung von Andrea Dörn
Verlag Art & Design 

 

Mit freundlicher Genehmigung des "Darmstädter Echo",
wo die Arikel erstmals in der Serie "Gastwirtschaften" erschien.


     

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